Das Landgericht Hamburg hatte in erster Instanz einen sogenannten bedingten Tötungsvorsatz festgestellt und den Angeklagten im Februar 2018 wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt. Der 4. Strafsenat hat das Urteil bestätigt (4 StR 345/18):
„Das Landgericht hat den bedingten Tötungsvorsatz (…) rechtsfehlerfrei festgestellt und belegt. Nach den Feststellungen war dem Angeklagten, als er absichtlich (…) auf die Gegenfahrbahn der mehrspurigen nunmehr durch Verkehrsinseln getrennten innerstädtischen Straßen mit möglichst hoher Geschwindigkeit fuhr, bewusst, „dass es mit hoher, letztlich unkalkulierbarer und nur vom Zufall abhängender Wahrscheinlichkeit zu einem frontalen Zusammenstoß mit entgegenkommenden Fahrzeugen kommen würde.“ Ihm war auch „bewusst, dass ein Frontalunfall mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit zum Tod eines oder mehrerer direkter Unfallbeteiligter sowie eventuell zur Schädigung weiterer Personen führen würde.“ All dies, auch der eigene Tod, wurde vom Angeklagten gebilligt, weil er „kompromisslos das Ziel, der Polizei zu entkommen“, verfolgte. Der Zurechnung des eingetretenen Todeserfolges zu dem vom Vorsatz des Angeklagten umfassten Kausalverlauf steht daher nicht entgegen, dass der Angeklagte nicht unmittelbar mit einem entgegenkommenden Fahrzeug kollidierte, sondern infolge der Kollisionen mit dem Kantstein am rechten Fahrbahnrand und einer der Verkehrsinseln die Kontrolle über sein Fahrzeug verlor und (…) auf der gegenüberliegenden Seite (…) mit einer Geschwindigkeit von „ca. 130 bis 143 km/h“ ungebremst frontal mit dem ihm entgegenkommenden Taxi des Geschädigten Y. kollidierte.“
Damit nähert sich der BGH der sogenannten Wahrscheinlichkeitstheorie an, wonach von Vorsatz auszugehen ist, wenn der sich Täter den Todeseintritt als wahrscheinlich vorstellt. Schon in meiner Dissertation “Rechtsvergleichende Untersuchung zur Unterscheidung von Vorsatz und Fahrlässigkeit in Spanien, Mexiko, Argentinien, Kolumbien und Deutschland” habe ich die Auffassung verteidigt, wonach bei bewußt unbeherrschbaren Gefahren von Vorsatz ausgegangen werden muss. Es kann nicht sein, dass irrationales, unvernünftiges Vertrauen auf ein Ausbleiben des Todes – das niemand nachvollziehen kann – den Todesvorsatz entfallen läßt. Der BGH sollte in Zukunft weiter seinen voluntativen Ansatz (Billigungstheorie) überdenken. Der 4. Strafsenat hat hier den ersten Schritt getan.