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Problemkind Sicherungsverwahrung

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Nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 17.12.2009, Application no. 19359/04, müssen bestimmte Sicherungsverwahrte entlassen werden, obwohl Gutachter davon ausgehen, dass sie weiterhin gefährlich sind. Dies betrifft aber nur diejenigen Verwahrten, die zum Zeitpunkt der alten Rechtslage vor 1998 verurteilt wurden. Damals gab es noch eine Höchstfrist der Sicherungsverwahrung von 10 Jahren. Hierauf durften die nun Verwahrten vertrauen, so der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg. Die Gesetzesänderung im Jahre 1998 (Abschaffung der Höchstfrist) dürfe deshalb nicht auf diese Verwahrte angewandt werden.

Der Bundesgesetzgeber hat schnell reagiert und das Therapieunterbringungsgesetz mit Geltung zum 01.01.2011 erlassen, siehe http://www.buzer.de/gesetz/9584/index.htm, nach dem die freizulassenden Personen in geschlossene Landeseinrichtungen untergebracht werden können. Hier will man räumlich und rechtlich vom Strafvollzug wegkommen. Antragsbefugt zur Unterbringung ist die Verwaltungsbehörde, Zivilgerichte entscheiden über die Unterbringung.

§ 1 TherapieunterbringungsG bestimmt den Anwendungsbereich:

(1) Steht auf Grund einer rechtskräftigen Entscheidung fest, dass eine wegen einer Straftat der in § 66 Absatz 3 Satz 1 des Strafgesetzbuches genannten Art verurteilte Person deshalb nicht länger in der Sicherungsverwahrung untergebracht werden kann, weil ein Verbot rückwirkender Verschärfungen im Recht der Sicherungsverwahrung zu berücksichtigen ist, kann das zuständige Gericht die Unterbringung dieser Person in einer geeigneten geschlossenen Einrichtung anordnen, wenn

[…]

Hier läßt sich erkennen, dass die Regelungen nur diejenigen strafrechtlich verurteilten Personen betrifft, gegen die auch schon mal die Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist.

Dies bedeutet beispielsweise für den bekannten Fall Karl D. aus Heinsberg/Randerath, dass hiernach die Unterbringung gegen Karl D. nicht erfolgen kann. Gegen Karl D. ist bei keiner seiner Verurteilungen Sicherungsverwahrung angeordnet worden, der letzte Antrag der Staatsanwaltschaft wurde (übrigens im Einvernehmen mit dem Generalbundesanwalt!) vom 1. Strafsenat des BGH mit Urteil vom 13. Januar 2010 (1 StR 372/09) verworfen. Obschon der Hang zur Gefährlichkeit gutachterlich festgestellt ist, liegen keine neuen Tatsachen vor, die diese begründen. Bei der Verurteilung des Landgerichts München von 1995 wurde noch die Gefährlichkeit Karl D’s laut Gutachten verneint. Dieser Gutachter begründet maßgeblich die Änderung der Gefahrenprognose von heute damit, dass heute diese wissenschaftlich eher bejaht wird, was auch mit einer zunehmenden Sensibilisierung der Öffentlichkeit und Presse mit diesem Thema zu tun habe.

Das Bundesverfassungsgericht hat mit Urteil vom 4. Mai 2011, Sicherungsverwahrung I, 2 BvR 2365/09, 2 BvR 740/10, Sicherungsverwahrung II, 2 BvR 2333/08, 2 BvR 571/10, 2 BvR 1152/10, die betreffenen Regelungen im Strafgesetzbuch zur Sicherungsverwahrung im Einklang mit der o.g. Entscheidung des EGMR für verfassungswidrig erklärt. Eine Ausnahme in der Anwendung soll aber bis spätestens 2013 gelten, wenn eine hochgradige Gefahr schwerster Gewalt- oder Sexualstraftaten aus konkreten Umständen in der Person oder dem Verhalten des Untergebrachten abzuleiten ist und dieser an einer psychischen Störung im Sinne von § 1 Absatz 1 Nr. 1 des Therapieunterbringungsgesetzes (ThUG) leidet. In diesem Fall sei die gefährliche Person weiter zur Sicherheit in der Haftanstalt zu verwahren.
Jetzt sind die ausführenden Länder aufgefordert, baldmöglichst Einrichtungen zur Unterbringung nach dem ThUG zu schaffen, wie in NRW beispielsweise die Anstalt in Oberhausen vorgeschlagen wurde.

Geschrieben von Dr. Cliff Gatzweiler   

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